1. Für alle Steuerpflichtigen: Beschränkt abzugsfähige Berufsausbildungskosten trotz langjähriger Tätigkeit zuvor

Mandantenbrief WBS Gruppe

Immer wieder kommt ein Streit auf, ob Aufwendungen für die Berufsausbildung lediglich im Bereich der Sonderausgaben abgezogen werden dürfen oder doch eventuell Werbungskosten sein können. Der Grund des Streits: Wenn die Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung nur Sonderausgaben sind, ist der Abzug im Kalenderjahr entsprechend der Regelung in § 10 Abs. 1 Nummer 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 6.000 Euro begrenzt. Werbungskosten, auch vorweggenommene, sind hingegen unbegrenzt abzugsfähig. Insoweit hatte aktuell das erstinstanzliche Finanzgericht aus Niedersachsen darüber zu entscheiden, ob auch nach langjähriger gewerblicher Tätigkeit ohne abgeschlossene Berufsausbildung noch beschränkt abzugsfähige Aufwendungen für eine Erstausbildung vorliegen. Es geht dabei also ganz konkret um Autodidakten.

Zum Hintergrund der Entscheidung: Werbungskosten sind entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz eins EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Beruflich veranlasste Aufwendungen sind grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum als Werbungskosten zu berücksichtigen, in dem sie geleistet wurden. Das muss nicht notwendigerweise der Veranlagungszeitraum sein, in dem die zugehörigen Einnahmen erzielt worden sind bzw. erzielt werden sollen. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Einnahmen kann auch über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg bestehen. Entscheidend ist, dass durch die Teilnahme am Marktgeschehen im weitesten Sinne steuerpflichtige Einnahmen erzielt werden sollen bzw. erzielt worden sind. So auch die einhellige Meinung in diversen Gesetzeskommentaren.

Sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung heißt es daher weiter: Somit können Werbungskosten schon zu einem Zeitpunkt anfallen, zu dem noch keine Einnahmen erzielt worden sind. Voraussetzung ist auch hier, dass ein hinreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, bei der der Abzug begehrt wird. Das ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen einen endgültigen Entschluss zur Einkünfteerzielung gefasst hat und diesen zwischenzeitlich nicht wieder aufgegeben hat. Dass tatsächlich Einnahmen erzielt worden sind, ist hingegen nicht zwingend erforderlich. So zum Beispiel Krüger in Schmidt, EStG § 9 Rz. 95.

Damit wären auch grundsätzlich Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung entstehen und letztlich der Vorbereitung der Erzielung von Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit dienen, den Werbungskosten zuzurechnen. Denn diese Aufwendungen dienen jedenfalls mittelbar der Erzielung der späteren Einnahmen.

Um jedoch einem ausufernden Werbungskostenabzug entgegenzuwirken (oder anders ausgedrückt, um steuerliches Abzugspotenzial zu minimieren), hat der Gesetzgeber eine einschränkende Regelung in § 9 Abs. 6 EStG aufgenommen. Danach sind Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder für ein Studium des Steuerpflichtigen nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (darunter fällt eine Berufsausbildung oder ein Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Das Gesetz sieht vor, dass eine Erstausbildung in diesem Sinne nur dann vorliegt, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vorzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird.

Eine geordnete Ausbildung liegt vor, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen. Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat.

Entsprechend diesen Ausführungen ist daher eine erstmalige Berufsausbildung anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige vor der zu beurteilen Ausbildungsmaßnahme noch keine andere Berufsausbildung durchlaufen oder eine frühere Berufsausbildung ohne Abschluss abgebrochen hat. Eine Erstausbildung hat dabei mindestens zwölf Monate Vollzeit zu umfassen. Vollzeit bedeutet, dass die Ausbildung durchschnittlich mit mindestens 20 Stunden wöchentlich durchgeführt wird. Wie so vieles ist also auch dies bürokratisch genau definiert.

Darüber hinaus führen die Richter des Niedersächsischen Finanzgerichtes in ihrer Entscheidung vom 26.3.2021 unter dem Aktenzeichen 2 K 130/20 unter Bezug auf Einkommensteuer-Kommentare aus, dass die Erstausbildung weiterhin in einem geordneten Ausbildungsgang stattfinden muss. Hiervon ist nur dann auszugehen, wenn ihre Durchführung auf der Grundlage von Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers erfolgt. Sie muss die Vermittlung der zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zum Ziel und zum Gegenstand haben. Eine geordnete Ausbildung setzt ferner voraus, dass die Ausbildungsziele definiert sind, ein feststehender Lehrplan existiert sowie Beginn und Abschluss festliegen. Neben staatlich anerkannten oder geregelten Ausbildungen können dies auch solche Berufsausbildungen sein, die nach den Richtlinien von Berufs- und Wirtschaftsverbänden oder internen Vorschriften der Bildungsträger geordnet sind.

Zudem betonen die Richter in ihrer Entscheidung, dass die Berufsausbildung auch abgeschlossen sein muss. Nur dann ist sie als Erstausbildung zu berücksichtigen.

Aufgrund dieser Ausführungen erkennen die erstinstanzlichen Richter im abgeurteilten Streitfall keine Erstausbildung. Vorliegend hatte sich ein Steuerpflichtige nach einem Praktikum im Bereich der Veranstaltungsbranche selbstständig gemacht. Tatsächlich gab es jedoch zum damaligen Zeitpunkt noch keine staatlich anerkannte Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann. Auch dies ist jedoch nach Ansicht der Richter kein Grund, trotz der langjährigen Tätigkeit in dem Bereich und eines Praktikums ausnahmsweise von einer Erstausbildung auszugehen. Dies wäre allenfalls möglich gewesen, wenn der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt die Abschlussprüfung zum Veranstaltungskaufmann bestanden hätte.

Insoweit ist das Urteil das erstinstanzliche Gericht knallhart, dass im vorliegenden Fall die Aufwendungen für die Verkehrspilotenausbildung des Klägers zu den beschränkt abzugsfähigen Berufsausbildungskosten im Bereich der Sonderausgaben gehören. Dies gilt auch, wenn der Kläger bereits seit geraumer Zeit und langjährig in einem anderen Beruf gewerblich tätig war und er seinerzeit dafür gar keine Erstausbildung abschließen konnte.

Insbesondere für alle Autodidakten ist diese Entscheidung verheerend, wenn später eine Berufsausbildung in einem anderen Bereich angegangen werden soll. Daher wird sich aktuell noch der Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen VI R 22/21 mit der Kernfrage beschäftigen müssen, ob Umschulungskosten eines Steuerpflichtigen bei den Werbungskosten entgegen der Regelung des § 9 Abs. 6 EStG erfasst werden können, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine langjährige und eigenständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hatte, ohne hierfür eine formalisierte Berufsausbildung abgeschlossen zu haben, weil diese schlicht nicht existierte. Betroffenen ist daher geraten, sich an das Musterverfahren anzuhängen!