1. Für alle Steuerpflichtigen: Zu den Besteuerungsausnahmen beim privaten Veräußerungsgeschäft

Taschenrechner auf dem Schreibtisch

Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 22 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind sonstige Einkünfte auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften entsprechend der Regelung in § 23 EStG. Bei Grundstücken gehören dazu grundsätzlich Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Allerdings gibt es auch sogenannte Besteuerungsausnahmen, die greifen, wenn die Anschaffung und die Veräußerung innerhalb von zehn Jahren stattfindet. Dementsprechend liegt kein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn die gegenständliche Immobilie in der ersten Alternative zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. In der zweiten Alternative ist ebenfalls kein privates Veräußerungsgeschäft gegeben, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.

Mit Blick auf die erste Besteuerungsausnahme hat der Bundesfinanzhof mit seiner Entscheidung vom 3.9.2019 die Finanzverwaltung in ihrer sehr fiskalischen Auffassung unter dem Aktenzeichen IX R 10/19 in ihre Grenze verwiesen. So führten die obersten Finanzrichter der Republik in diesem Zusammenhang aus, dass der Ausdruck „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in beiden Alternativen lediglich voraussetzt, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. So auch bereits die höchstrichterliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 27.6.2017 unter dem Aktenzeichen IX R 37/16.

Weiter führt der Bundesfinanzhof in der vorgenannten Entscheidung aus, dass die Ausnahmevorschrift der zweiten Alternative voraussetzt, dass die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Dabei muss die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor der Veräußerung nicht während des gesamten Kalenderjahres vorgelegen haben. Vielmehr genügt ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie (mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs) voll auszufüllen. Das bedeutet: Ausreichend für die Anwendung der Ausnahmevorschrift ist eine zusammenhängende Nutzung von einem Jahr und zwei Tagen – wobei sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auf das gesamte mittlere Kalenderjahr erstrecken muss, während die eigene Wohnnutzung im zweiten Jahr vor der Veräußerung und im Veräußerungsjahr nur jeweils einen Tag zu umfassen braucht.

Folglich kommen die obersten Finanzrichter der Republik zu dem Schluss, dass wenn eine Wohnimmobilie im Jahr der Veräußerung kurzzeitig vermietet wird, die Besteuerungsausnahme mit der zweiten Alternative immer noch erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige das Immobilienobjekt im Veräußerungsjahr mindestens an einem Tag im Vorjahr durchgehend und im zweiten Jahr vor der Veräußerung mindestens einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Die Vermietung im Jahr der Veräußerung nach Beendigung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist insoweit unschädlich. Damit stellt sich der Bundesfinanzhof auf die Seite des ausdrücklichen Wortlauts des Gesetzes und gegen die davon abweichende bisherige Meinung der Finanzverwaltung.

Soweit zur zweiten Alternative der Besteuerungsausnahme. Zur ersten Besteuerungsausnahme hat nun das erstinstanzliche Niedersächsische Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 27. 5. 2021 unter dem Aktenzeichen 10 K 198/20 eine für Steuerpflichtige positive Entscheidung getroffen. Auch das erstinstanzliche Finanzgericht wendet sich damit ganz klar gegen die Auffassung der Finanzverwaltung. Im Streitfall hatten die Kläger eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung wieder veräußert. In diesem Zeitraum nutzten sie die Immobilie grundsätzlich zu eigenen Wohnzwecken, jedoch wurden zwischenzeitlich immer mal wieder einzelne Zimmer im Dachgeschoss des Hauses tageweise an Messegäste vermietet. Die daraus erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden in der Einkommensteuer erklärt. Daraus ging hervor, dass sich die Vermietung pro Jahr etwa auf 12 bis 25 Tage belief.

Das Finanzamt ging nun davon aus, dass insoweit das Haus nicht komplett zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde, sondern wollte das Haus quasi in die Räumlichkeiten der eigenen Wohnungsnutzung aufteilen und hinsichtlich der Räumlichkeiten, die zwischenzeitlich vermietet wurden, ein privates Veräußerungsgeschäft besteuern. Anders ausgedrückt: Das Finanzamt ging davon aus, dass das Haus lediglich zum Teil zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde und teils fremdvermietet wurde und wollte es somit in zwei Wirtschaftsgüter aufteilen.

Dem widersprach jedoch das erstinstanzliche Finanzgericht aus Niedersachsen. So sieht die erste Besteuerungsalternative beim privaten Veräußerungsgeschäft zwar vor, dass eine „ausschließliche“ Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung gegeben sein muss. Die Richter stellen jedoch klar, dass sich dieses Kriterium der Ausschließlichkeit nicht auf eine räumliche Aufteilung bezieht. Insoweit müssen die Räume nicht ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden. Vielmehr bezieht sich die Ausschließlichkeit auf eine zeitliche Betrachtungsweise, sodass die Immobilie zwischen Anschaffung und Veräußerung zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden muss. Diese Schlussfolgerung ziehen die erstinstanzlichen Richter nachvollziehbar daraus, dass in der zweiten Besteuerungsausnahme die Ausschließlichkeit nicht gegeben ist. Das ist wiederum nur verständlich, wenn die Ausschließlichkeit ein Gesamtzeitraum abdecken soll, der in der ersten Alternative kürzer als in der zweiten Alternative ist, aber auch länger bemessen sein kann. In der zweiten Alternative ist hingegen der Zeitraum genau bestimmt, sodass das Wort „ausschließlich“ entbehrlich ist.

Ebenso hat mit Bezug auf ein häusliches Arbeitszimmer auch bereits das erstinstanzliche Finanzgericht Köln in seiner Entscheidung vom 20.3.2018 unter dem Aktenzeichen 8 K 1160/15 entschieden. Seinerzeit wurde klargestellt, dass der auf das häusliche Arbeitszimmer eines privat genutzten Eigenheims entfallende Veräußerungsgewinn nicht zu den Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft führen kann, wenn eine weit überwiegende Eigennutzung der Wohnung im Übrigen vorliegt. Insoweit ist auch das häusliche Arbeitszimmer in die private Wohnsphäre eingebunden, sodass ein privates Veräußerungsgeschäft nicht gegeben sein kann, da auch das häusliche Arbeitszimmer von der Besteuerungsausnahme umfasst wird.

 

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Während die seinerzeitige Entscheidung des Finanzgerichts Köln rechtskräftig geworden ist, wollte sich die Finanzverwaltung aktuell noch nicht geschlagen geben. Daher ist nun beim Bundesfinanzhof in München die Revision unter dem Aktenzeichen IX R 20/21 anhängig. Betroffene sollten sich an das Musterverfahren anhängen. Unseres Erachtens sind hier die Chancen ausgesprochen gut, dass die obersten Finanzrichter der Republik auch ihre erstinstanzlichen Kollegen bestätigen werden und die Finanzverwaltung in die Schranken verweisen wird.