3. Für alle Steuerpflichtigen: Kein Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes aus einer Teilerbauseinandersetzung

Mandantenbrief WBS Gruppe

Das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf hat in einer schon älteren Entscheidung vom 3.9.2020 unter dem Aktenzeichen 11 K 2359/19 BG entschieden, dass bei der Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts auch dann nicht aus einer Teilerbauseinandersetzung abgeleitet werden kann, wenn die Beteiligten keine nahestehenden Personen sind. Was sich zunächst einmal etwas merkwürdig anhört, begründen die Düsseldorfer Richter wie folgt:

Grundsätzlich gelten bei der Erbschaftsteuer die Bewertungsregeln des Bewertungsgesetzes. Gerade weil jedoch das Bewertungsgesetz eine vereinfachte standardisierte Bewertung anordnet, bei der der Steuerpflichtige Einwendungen aufgrund der individuellen Verhältnisse des Grundstückes nicht vorbringen kann, lässt die gesetzliche Regelung in § 198 Bewertungsgesetz (BewG) den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zu.

Sofern der Steuerpflichtige daher nachweist, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der aufgrund der standardisierten Bewertung ermittelte Wert, so ist der niedrigere Wert anzusetzen. Fraglich ist nun im nächsten Schritt, wie denn dieser niedrigere Wert in der Praxis nachzuweisen ist, beziehungsweise wie er überhaupt gefunden wird.

Grundsätzlich wird dabei der Verkehrswert (oder auch Marktwert) durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstandes der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Auch entsprechend des Baugesetzbuches oder der Immobilienwertermittlungsverordnung sind zur Wertermittlung Kaufpreise nur heranzuziehen, wenn sie nicht durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflusst worden sind. Insoweit wird der gemeine Wert durch den Preis ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bestimmt.

Unter gewöhnlichem Geschäftsverkehr ist dabei der Handel zu verstehen, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist. Kommt für ein angebotenes Wirtschaftsgut von vornherein nur ein kleiner Interessentenkreis in Betracht, ist dies ungewöhnlich, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer sehr alten Entscheidung vom 23.2.1979 unter dem Aktenzeichen III R 44/77 klargestellt hat. Andererseits lässt sich der Verkehrswert nicht an den Preisen ermitteln, die ein und derselbe Käufer für Grundstück gezahlt hat, von deren Ankauf andere Bewerber aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen waren. Der Nachweis für einen niedrigeren gemeinen Wert muss für die wirtschaftliche Einheit als Ganzes geführt werden. Eine rechnerische Ermittlung aus dem Verkauf eines ideellen Anteils der wirtschaftlichen Einheit ist nicht möglich, da es für derartige Verkäufe keinen gewöhnlichen Geschäftsverkehr gibt.

Der Nachweis eines niedrigen Verkehrswertes durch einen zeitnah erzielten Kaufpreis liegt insoweit bei einer Erbauseinandersetzung nicht vor. Die im gegenständlichen Verfahren zugrundeliegende Teilerbauseinandersetzung vollzog sich nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr. Die Teilerbauseinandersetzung betraf nur einen Teil der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit. Verkäufe von Miteigentumsanteilen entsprechen nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr, da diese üblicherweise nicht als solche, sondern nur mit dem gesamten Grundstück veräußert werden. Gleiches gilt nach Auffassung des Finanzgerichtes Düsseldorf erst recht im Fall einer Teilerbauseinandersetzung, bei der in Bezug auf ein Grundstück wirtschaftlich betrachtet ebenfalls Eigentumsanteile übertragen werden. Es ist deshalb unerheblich, dass die Beteiligten an der Teilerbauseinandersetzung keine nahestehenden Personen waren. Zudem ist im vorliegenden Fall der infrage stehende Grundstücksanteil auch keiner anderen Person angeboten worden.

Da sich insoweit eine Teilerbauseinandersetzung nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vollzieht, möchte das Finanzgericht Düsseldorf den dort erzielten Verkaufspreis nicht als niedrigeren gemeinen Wert im Sinne der Öffnungsklauseln anerkannt wissen.

Die Düsseldorfer Richter waren sich ihrer Sache dabei so sicher, dass sie die Revision zum Bundesfinanzhof nicht zugelassen haben. Erfreulicherweise ist in dieser Sache jedoch seitens des Klägers die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden, welche auch vom Bundesfinanzhof angenommen wurde. Bis vor kurzem wurde daher unter dem Aktenzeichen II R 8/21 die Rechtsfrage aufgeworfen, ob durch eine Abfindungszahlung im Rahmen einer Teilerbauseinandersetzung hinsichtlich eines Grundstücks der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts im Sinne von § 198 BewG erbracht werden kann.

Leider wird der Bundesfinanzhof eine Antwort auf diese Rechtsfrage (zumindest in Bezug auf dieses Verfahren) schuldig bleiben, da das Verfahren mit Beschluss vom 30.5.2022 erledigt wurde, weil der Prozessbevollmächtigte eine Revisionsbegründungsfrist versäumt hat. Da insoweit die Erledigung des Verfahrens nichts mit der inhaltlichen Natur der Rechtsfrage zu tun hat, sondern rein verfahrensrechtlich begründet war, bleibt zu hoffen, dass eine abschließende Klärung in einem anderen Verfahren noch erreicht wird. Aus unserer Sicht ist es nämlich nur schwer nachzuvollziehen, dass ein Verkauf unter fremden Dritten nichts zur Verkehrswertermittlung beitragen können soll.