4. Für Kapitalanleger: Glattstellungsgeschäfte als rückwirkendes Ereignis bei Stillhaltergeschäften?

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen auch sogenannte Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden. Geregelt ist dies in § 20 Abs. 1 Nummer 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Inhalt eines Optionsgeschäftes ist grundsätzlich der Erwerb oder die Veräußerung des Rechtes, eine bestimmte Menge eines Basiswertes (häufig handelt es sich dabei um Aktien) jederzeit während der Laufzeit der Option zu einem im Voraus vereinbarten Preis (dem sogenannten Basispreis) entweder vom Kontrahenten (dies ist der sogenannte Stillhalter) zu kaufen oder an ihn zu verkaufen. Für dieses Recht hat der Inhaber der Option bei Abschluss des Optionsgeschäfts die Optionsprämie (dies ist die sogenannte Stillhalterprämie) zu zahlen. Die Stillhalterprämie ist das Entgelt, dass der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht, unabhängig vom Zustandekommen des Wertpapiergeschäftes allein für das Stillhalten erhält.

Schließt der Stillhalter ein sogenanntes Glattstellungsgeschäft ab, mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien. Es wird nach dem Nettoprinzip nur der beim Stillhalter nach Abschluss eines Gegengeschäftes (also der Glattstellung) verbleibende Vermögenszuwachs der Besteuerung unterworfen.

Eine Glattstellung liegt nach der Gesetzesbegründung insbesondere vor, wenn der Stillhalter eine Option der gleichen Art kauft, wie er sie zuvor verkauft hat. Eine echte beendende Glattstellung ist gegeben, wenn das Glattstellungsgeschäft ein betrags- und fristenidentisches Gegengeschäft ist, mit dem der Stillhalter seine Verpflichtung aus der Option zum Erlöschen bringt. Hierzu erwirbt der Stillhalter genau die Option, die er zuvor einem anderen eingeräumt hat, und macht durch den Glattstellungsvermerk eine Aufrechnung geltend. Ob Gegengeschäfte ohne einen solchen Glattstellungsvermerk als gegenläufige Geschäfte unter die einkommensteuerlichen Regelungen fallen, ist hingegen streitig.

Unstreitig ist jedoch, so zumindest nach Auffassung des erstinstanzlichen Finanzgerichts München mit Urteil vom 28.9.2021 unter dem Aktenzeichen 6 K 1458/19, dass bei Beachtung des allgemein bei Überschusseinkünften geltenden Zu- und Abflussprinzips des § 11 EStG die Stillhalterprämie im Jahr des Zuflusses zu versteuern ist. Die Glattstellungsaufwendungen sind demnach im Jahr des Abflusses als Werbungskosten zu berücksichtigen. In diesem Sinne unterliegen Stillhalterprämien im Zeitpunkt der Vereinnahmung dem Kapitalertragsteuerabzug. Beim Abschluss eines Glattstellungsgeschäfte sind die gezahlten Prämien zum Zeitpunkt der Zahlung als negativer Kapitalertrag in den sogenannten Verlustverrechnungstopf einzustellen.

Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom 20.10.2016 unter dem Aktenzeichen VIII R 55/13 ordnet die Regelung in § 20 Abs. 1 Nummer 11 EStG eine getrennte Besteuerung der Stillhalterprämien und der Glattstellungsgeschäfte an, ohne den Barausgleich zu regeln. Eine Änderung einer Steuerfestsetzung für Aufwendungen aus Glattstellungsgeschäften, die in einem anderen Veranlagungszeitraum angefallen sind, sind wegen eines rückwirkenden Ereignisses nicht möglich, da die Zahlung der Glattstellungsaufwendungen kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf das Jahr der Vereinnahmung der Stillhalterprämien ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt das erstinstanzliche Finanzgericht München zu dem Schluss, dass die bezogenen Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nummer 11 EStG zu versteuern sind. Die in anderen Veranlagungszeiträumen getragenen Aufwendungen aus Glattstellungsgeschäften sind in den Jahren ihres Abflusses geltend zu machen.

 

Die obersten Finanzrichter des Bundesfinanzhofs müssen nun unter dem Aktenzeichen VIII R 27/21 klären, ob bei periodenübergreifenden Zu- und Abschlüssen aus Stillhaltergeschäften eine im Folgejahr geleistete Zahlung aus dem Glattstellungsgeschäft ein rückwirkendes Ereignis darstellt, sodass die im Streitjahr vereinnahmte Stillhalterprämie um die im Folgejahr geleisteten Aufwendungen zu vermindern ist.