6. Für alle Steuerpflichtigen: Abfindungszahlungen im Scheidungsfall

Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sowie auch entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung des Finanzgerichtes München vom 2.5.2018 unter dem Aktenzeichen 4 K 3181/16 hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 1.9.2021 unter dem Aktenzeichen II R 40/19 entschieden: Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind, so ist in einer solchen Bedarfsabfindung keine freigiebige Zuwendung, sprich keine steuerpflichtige Schenkung, zu sehen.

In den Urteilsgründen erläutert der Bundesfinanzhof sehr genau, wann überhaupt eine steuerpflichtige Schenkung vorliegt. So unterliegt der Schenkungsteuer jede freigiebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechtsanspruch besteht, ist unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, beispielsweise im Urteil vom 27.11.2013 unter dem Aktenzeichen II R 25/12.

Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands einer freigebigen Zuwendung bedarf es des Bewusstseins des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftswerk zu erbringen. Der subjektive Tatbestand entfällt, wenn der Zuwendende seine Leistung als entgeltlich ansieht, selbst wenn dies irrtümlich ist. Für die zutreffende Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der Unentgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt laienhaft zutreffend erfasst.

Die Zahlung einer Pauschalabfindung unter Preisgabe eines möglicherweise künftig entstehenden Zugewinnausgleichsanspruchs vor Eingehung der Ehe erfüllt als freigiebige Zuwendung den Tatbestand einer Schenkung. Denn diese Zahlung wird weder zur Befriedigung eines außervertraglichen Forderungsrechts preisgegeben noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt. Ein die Pauschalabfindung rechtfertigendes Forderungsrecht besteht in diesen Fällen nicht, denn die Zugewinnausgleichsforderung entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.

Der Verzicht auf den möglicherweise künftig entstehenden Zugewinnausgleich gegen eine Pauschalabfindung erfüllt zudem die Voraussetzung der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG). Nach dieser Vorschrift werden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. Vor Beginn der Ehe ist ungewiss, ob und wann die Ehe wieder geschieden oder die Zugewinngemeinschaft aus anderen Gründen beendet wird. Bis zur Entstehung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich können sich zudem noch gravierende Veränderungen ergeben. Die Zugewinnausgleichsforderung kann in der Person des Zuwendungsempfängers entweder überhaupt nicht oder nicht in der im Zeitpunkt der Zuwendung erwarteten Höhe entstehen oder der Zuwendungsempfänger umgekehrt sogar selbst Schuldner einer Zugewinnausgleichsforderung werden.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die zukünftigen Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung (abweichend von den gesetzlichen Leitbildern) umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners an den anderen in einer bestimmten Höhe vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind. Man spricht dabei von einer sogenannten Bedarfsabfindung.

Im Fall einer Bedarfsabfindung wird keine Pauschalabfindung ohne Gegenleistung erbracht. Es werden lediglich Rechte und Pflichten der künftigen Ehegatten durch umfangreiche Modifikation denkbarer gesetzlicher familienrechtlicher Ansprüche im Fall der Scheidung im Wege einer Pauschalierung neu austariert. Wird ein derartiger Vertrag abgeschlossen, der nach Art eines Gesamtpaketes alle Scheidungsfolgen regelt, kann dieses Paket nicht in Einzelleistungen aufgeteilt und eine der Einzelleistungen der Schenkungsbesteuerung unterworfen werden, so der Bundesfinanzhof. Damit würde der Umstand verkannt, dass ein solcher Vertrag einen umfassenden Ausgleich aller Interessensgegensätze anstrebt und insofern keine der Einzelleistungen ohne Gegenleistung ist. Wird die Ehe dann tatsächlich beendet, erfolgt die Zahlung des vorab vereinbarten Betrags in Erfüllung dieser Vereinbarung.

Auf eine solche Vereinbarung ist jedoch die Regelung des § 7 Absatz 3 ErbStG nicht anwendbar. Während bei Zahlung einer Pauschalabfindung zu Beginn der Ehe ein Zugewinnausgleichsanspruch in der Zukunft nur möglicherweise besteht, die Zahlungsverpflichtung damit ungewiss ist und nicht bewertet werden kann, ist bei der Bedarfsabfindung die Zahlung des Ausgleichsanspruchs bzw. der Abfindung an die Beendigung der Ehe geknüpft. Der Zahlungsanspruch ist damit aufschiebend bedingt und erwächst erst mit Eintritt der betreffenden Bedingung zum Vollrecht. Allein der Umstand, dass die Eheleute es mittels eines solchen Vertrags vermeiden, die gegenseitigen Ansprüche auf diesem Zeitpunkt bewerten zu müssen, bedeutet nicht, dass diese Bewertung nicht grundsätzlich möglich wäre.

Daher gehen die obersten Finanzrichter der Republik davon aus, dass die Zahlung nicht den objektiven Tatbestand einer Schenkung erfüllt. Zudem scheitert die Annahme einer Schenkung auch daran, dass der Ehemann die Zahlung subjektiv nicht freiwillig erbringt, sondern den seinerzeit geschlossenen Vertrag erfüllt.

Eheschließende können daher durchaus überlegen, ob nicht individuelle einzelvertragliche Vereinbarungen geeigneter sind, um etwaige Scheidungsfolgen zu regeln.