8. Für Einnahme-Überschuss-Rechner: Zum Fälligkeitserfordernis bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben

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Mit Urteil vom 16.2.2022 hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben im Sinne der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 und Absatz 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) voraussetzen, dass sie kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind.

Der Bundesfinanzhof führt insoweit in seiner vorgenannten Entscheidung unter dem Aktenzeichen X R 2/21 wie folgt aus: Der bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung für den Betriebsausgabenabzug geltende § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG bestimmt, dass Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen sind, in dem sie geleistet worden sind. Maßgeblich ist dabei, wann der Steuerpflichtige nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die hingegebenen Mittel verliert. Auf die Fälligkeit kommt es hierbei nicht an.

Im Urteilsfall hatte der Kläger die Umsatzsteuervorauzahlung für den Zeitraum Mai bis Juli 2017 erst am 9.1.2018 geleistet. Unbeschadet der bereits im Jahr 2017 eingetreten Fälligkeit der Zahlung war der Betriebsausgabenabzug nach der Grundregel der Vorschrift erst für das Jahr 2018 zu gewähren.

Eine hiervon abweichende Zuordnung des Betriebsausgabenabzugs für das Jahr 2017 ist ausgeschlossen. Nach der Vorschrift sind regelmäßig wiederkehrende Ausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, sofern sie der Steuerpflichtige kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung jenes Kalenderjahrs geleistet hat.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwar handelt es sich bei der Umsatzsteuervorauszahlung nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Hinblick auf deren gesetzlich festgelegte Wiederholung um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige die Vorauszahlung erst deutlich nach Fälligkeit erbringt. Zudem gehören die Vorauszahlungen im Streitfall wirtschaftlich ins Jahr 2017. Ferner hat der Kläger die Zahlung kurze Zeit nach Ende des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit, nämlich innerhalb des insofern maßgeblichen Zeitraums von bis zu zehn Tagen geleistet.

Allerdings fordert der Bundesfinanzhof darüber hinaus, dass die in Rede stehende Ausgabe kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden ist. Dies entspricht der Bundesfinanzhofs-Rechtsprechung, der Finanzverwaltungsmeinung und der ganz überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung, die auf eine am Gesetzeszweck orientierten Auslegung der Ausnahmeregelung für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben beruht.

Seit der grundlegenden Entscheidung des sechsten Senats des Bundesfinanzhofs vom 9.5.1974 unter dem Aktenzeichen VI R 161/72 setzt die höchstrichterliche Rechtsprechung in fast allen hierzu ergangenen Entscheidungen voraus, dass solche Einnahmen bzw. Ausgaben über den Wortlaut hinaus innerhalb des 10-Tages-Zeitraums vor oder nach Ende des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden sind.

Begründet hat der Bundesfinanzhof dies damit, dass die Vorschrift Zufallsergebnisse vermeiden wolle, die allerdings eintreten, wenn jede zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt des Kalenderjahres fällige Ausgabe bzw. Einnahme auch dann noch diesem Kalenderjahr zugerechnet wird, wenn sie erst kurz nach Beginn des folgenden Kalenderjahres erbracht wurde. Ein Verzicht auf die Fälligkeit würde auf eine Übertragung der für die Bilanzaufstellung geltenden Grundsätze hinauslaufen und damit den Sinn und Zweck erheblich überschreiten. Sowohl Finanzverwaltung als auch das vorherrschende Schrifttum vertreten eine identische Meinung. Wer diesbezüglich weitere Literaturfundstellen braucht, kann diese in der Urteilsbegründung finden.

Tatsächlich ist es zwar so, dass der Wortlaut der Vorschrift zur Fälligkeit der in Rede stehenden Einnahme bzw. Ausgabe nichts sagt. Der Wortlaut setzt weder die Fälligkeit voraus, noch hält er sie für ausdrücklich verzichtbar. Systematische und teleologische Erwägungen gebieten es allerdings, nur dann die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 EStG anzuwenden, wenn die zu beurteilende Einnahme bzw. Ausgabe nicht nur kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehört, geleistet wird, sondern innerhalb jenes Zeitraums auch fällig geworden ist. Insoweit ist in der Praxis bei Anwendung der Ausnahmeregelung zum Zufluss- und Abflussprinzips auch die Fälligkeit einer Einnahme bzw. Ausgabe zu beachten.

Zur weiteren sehr ausführlichen Urteilsbegründung sei insoweit auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs unter dem Aktenzeichen X R 2/21 vom 16.2.2022 verwiesen.