8. Für Gesellschafter: Gestaltungsmissbräuchliche Tilgung von Gesellschafterdarlehen aus Einlagen

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Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach dieser im Einzelsteuergesetz vorhandenen Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Gemäß Abs. 2 des § 42 AO liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten auch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Es sei denn, dass für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachgewiesen werden können, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Vor diesem Hintergrund ist jedoch herauszustellen, dass dabei nicht bereits das Motiv, eine Steuerersparnis zu erzielen, dazu führt, dass eine steuerliche Gestaltung unangemessen ist. Die Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg gewählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. So hatte es seinerzeit der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 17.12.2010 unter dem Aktenzeichen IX R 40/09 definiert.

Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist der einfachste rechtliche Weg regelmäßig der Angemessene. Wohingegen unangemessene Rechtsgestaltungen umständlich, kompliziert, schwerfällig oder auch gekünstelt sind. Auch dies hat der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 19.8.1999 unter dem Aktenzeichen I R 77/96 einmal herausgearbeitet.

Hat eine Gestaltung überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck, kann sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Dies kann dann gegeben sein, wenn durch mehrere sich wirtschaftlich gegenseitig neutralisierende Geschäfte lediglich ein steuerlicher Vorteil erzielt werden soll oder wenn mit den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Gestaltung die Wirkung einer gegenläufigen Gestaltung kompensiert werden sollen und sich der zur Kompensation gewählte Gestaltungsweg deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist. Eine Gestaltung ist daher dann unangemessen, wenn sie nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll.

Auf Basis dieser Definition vom Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten kommt das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 22.12.2021 unter dem Aktenzeichen 7 K 101/18 K, G, F zu dem Schluss, dass die lediglich buchhalterisch vollzogene Einlage in die Kapitalrücklage einer Kapitalgesellschaft zu dem Zweck der anschließenden Tilgung eines Darlehens der Alleingesellschafterin einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten darstellt. Die Folge der Entscheidung aus Düsseldorf: Im Ergebnis liegt im Umfang des werthaltigen Anteils ein gewinnerhöhender Forderungsverzicht vor.

Die gesellschaftsrechtliche Anerkennung der Rückzahlung von Einlagen und Gesellschafternachschüssen in den in § 19 Abs. 5 und § 30 Abs. 2 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) geregelten Fällen rechtfertigt hingegen noch nicht die steuerrechtliche Anerkennung jedweder Sachverhalte, in denen Geldmittel zwischen Gesellschaft und Gesellschafter hin- und her gezahlt werden.

Mit Einfügung von § 19 Abs. 5 GmbHG hat der Gesetzgeber insbesondere nur die bis dahin eintretenden Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen bei vorabbesprochenen „Hin- und Herzahlungen“ zwischen Gesellschafter und Gesellschaft beschränken und ein ökonomisch sinnvolles „Hin- und Herzahlen“ im Rahmen eines Cash Pooling ermöglichen wollen, weil dies aus Gläubigersicht unbedenklich erscheint. Mit der gesellschaftsrechtlichen Anerkennung von Geldflüssen in diesen Sachverhalten hat der Gesetzgeber also gerade nur einen als regelungswürdig erachteten Sonderfall des „Hin- und Herzahlens“ als zulässig erfassen wollen. Hinzu kommt, dass in Fällen von § 19 Abs. 5 GmbHG durch die tatbestandliche Voraussetzung eines vollwertigen Rückgewähranspruchs gerade gesichert wird, dass die Einlageleistung ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach bei der Gesellschaft verbleibt. So lag es im Streitfall gerade nicht, weil die eingelegten Mittel unmittelbar nach der Einlageleistung an die Alleingesellschafterin der Klägerin zurückgebucht wurden und wie von Anfang an beabsichtigt nicht bei der Klägerin verbleiben sollten.

Auch § 26 GmbHG eignet sich weder zur generellen Rechtfertigung von „Hin- und Herzahlungen“ zwischen Gesellschaft und Gesellschafter noch zur steuerlichen Anerkennung der Vorgehensweise im Streitfall. Dabei ist zwar anzuerkennen, dass Gesellschafter nachschusspflichtig sein oder auch freiwillig Nachschüsse leisten können. Indes ist auch die Rückzahlung von den als Nachschuss bezeichneten Gesellschafterbeiträgen im Anwendungsbereich von § 26 GmbHG zunächst nur unter den besonderen Voraussetzungen von § 30 Abs. 2 GmbHG und nicht als stets zulässige Vorgehensweise anerkannt. Eine Rückzahlung von Gesellschafterbeiträgen ist danach nur zulässig, wenn sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich ist und wenn sie nach Ablauf von drei Monaten erfolgt, nachdem ein Rückzahlungsbeschluss bekanntgemacht worden ist. Die Sperrfrist, die ihrem Zweck nach Gesellschaftsgläubigern die Wahrung ihrer Rechte ermöglichen soll, wäre im Streitfall schon nicht eingehalten worden.

Hinzu kommt, dass die in § 26 GmbHG geregelte Zahlung von Gesellschafternachschüssen und die in § 30 GmbHG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässige Rückzahlung von Nachschüssen ersichtlich nicht die Rückzahlung von Fremdkapital in Gestalt von Darlehensverbindlichkeiten mit den nachgeschossenen Geldmitteln erfassen, sondern die Rückzahlung des zuvor mit den Nachschüssen erhöhten Eigenkapitals.

Auch soweit das seinerzeit erkennende erstinstanzliche Finanzgericht München in einem Urteil vom 27.10.2009 unter dem Aktenzeichen 6 K 3941/06 einen Gestaltungsmissbrauch abgelehnt hat und dabei maßgeblich darauf abstellte, dass das Steuerrecht an die zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Gesellschafterfinanzierung anknüpft und ebenfalls von einer steuerrechtlichen Finanzierungsfreiheit auszugehen ist, steht nicht im Widerspruch zu der Bewertung der im Streitfall gewählten Vorgehensweise als Gestaltungsmissbrauch.

Insbesondere wird die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter, nach der es einem Gesellschafter vollkommen freisteht, seine Gesellschaft entweder mit Eigenkapital oder auch mit Fremdkapital zu finanzieren nicht in Abrede gestellt bzw. eingeschränkt. Denn die Versagung der steuerlichen Anerkennung folgt im Streitfall nicht schon daraus, dass die Alleingesellschafterin der Klägerin formal Eigenkapitalmittel anstelle von Fremdkapitalmittel zur Verfügung gestellt hat. Der Gestaltungsmissbrauch liegt nicht in diesem von der Finanzierungsfreiheit erfassten Einzelschritt, mit dem das Bilanzbild der Klägerin bereits verbessert und deren Eigenkapitalquote unter Minderung des Verschuldungsgrad erhöht worden wäre. Der Gestaltungsmissbrauch ergibt sich im vorliegenden Fall vielmehr zusammen mit dem sich anschließenden zweiten Teilschritt der Darlehensrückgewähr mittels der unmittelbar zuvor gewährten Einlagemittel und der Abwicklung sämtlicher Teilschritte nur als zeitlich kurz hintereinander vorgenommene Buchungsvorgänge im konzerninternen System. Erst in dieser Gesamtschau wird die gesetzlich vorgesehene Folge beim Wegfall einer Darlehensverbindlichkeit durch Verzicht eines Gläubigers umgangen und der Gestaltungsmissbrauch offenbar.

Alles in allem scheint es daher auch nach der Entscheidung möglich, weiterhin ein Hin- und Herzahlen steuerrechtlich anerkennen zu können. Vorliegend ist die Entscheidung des Finanzgericht Düsseldorfs auch noch nicht rechtskräftig, da insoweit die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 11/22 anhängig ist.

Wer sich dennoch deutlich vom im Urteilsfall einschlägigen Sachverhalt abgrenzen möchte, sollte darauf achten, dass die das Geld empfangende Gesellschaft auch tatsächlich eine Verfügungsmacht über diese Einlagemittel erlangt. Ebenfalls kann es in der Praxis hilfreich sein, wenn die Einzahlung und die Rückzahlung des Darlehens mit einem gewissen zeitlichen Abstand erfolgen. Wie immer gilt auch hier: Außersteuerliche Gründe für die Vorgehensweise sind das Maß aller Dinge, damit unter dem Strich ein Gestaltungsmissbrauch nicht vorgeworfen werden kann.